Wer Ohren hat der höre! Seit Simon abgeflogen ist, bin ich tagtäglich, abgesehen vom Wochenende, im Büro. Primär bin ich zur Zeit dafür verantwortlich, von den Bauern gezeichnete Landkarten ihrer Kooperativen in den Computer zu übertragen und dort zu bearbeiten. Nachdem ich für die erste Karte noch mehrerer Tage bedurfte, hat sich das Arbeitstempo inzwischen vervielfacht und so langsam gehen mir die Karten aus...Doch das ist nicht weiter tragisch, denn es fallen immer wieder kleine PC-Probleme an, bei denen ich helfen kann oder es wird ein Partner für ein Brainsorming benötigt, und außerdem hat mir Grace die Aufgabe gegeben, mal über ein sehr spannendes Projekt zur Selbstfinanzierung nachzudenken: ein Biocafé in der Stadt! Da werde ich mich jetzt in den nächsten Tagen dran machen und schauen, was sich machen lässt. Schließlich wird die Klientel vermutlich eher auf meiner Wellenlänge sein, da sich nicht allzu viele Tansanier in die Cafés hier verirren.
Einerseits ist das mit Sicherheit eine Geldsache, andererseits setzt man sich hier aber auch einfach nicht zusammen, trinkt Kaffee und Tee und genießt den Feierabend oder den freien Tag. Zwar sitzen viele Leute den ganzen Tag über in den unzähligen lokalen Bars und Imbissbuden, doch wird dort fast ausschließlich gesoffen oder – so wie ich es zur Zeit meiner momentanen Fastenzeit tue – "Soda" (Cola, Fanta, Sprite getrunken). Und das, wo hier so viel Kaffee und Tee angebaut wird. Letzterer wird zumindest zum Frühstück noch konsumiert, wobei das häufig servierte Getränk viel Zucker, mit ein bisschen Tee und Milchpulver ist. Mir kommt das entgegen, ich war ja schon immer ein großer Fan von allem, was zu süß und etwas ungesund ist.
Wo ich gerade schon dabei bin, etwas vom Alltag und den Menschen hier zu erzählen: Simon merkte trotz all der sitzenden und trinkenden Menschen immer wieder an, wie seltsam die Tansanier doch seien, dass sie an jeder erdenklichen Stelle rumstehen. Nein, wenn man mit dem Daladala durch den Dschungel fährt, braucht man nicht zu fürchten, dass man verloren ist, denn nach ein paar Metern sieht man bestimmt jemanden irgendwo stehen. Die Damen, Herren, Kinder, Omas und Opas – ja, davon ist keine Altersgruppe auszuschließen – scheinen nicht auf dem Weg zu einem Ziel zu sein, sondern schlicht das Stehen zu genießen. Mir ist das noch nie so aufgefallen, doch wie auf so viele andere Dinge hat Simon mich darauf aufmerksam gemacht. Komisch. Noch komischer und meines Erachtens auch traurig ist es, dass es keine öffentlichen Sitzgelegenheiten gibt, Ausnahme Zanzibar und ganz wenige Stellen in Dar. Hier in Moshi gibt es nichts, was einer Plasa (oder Plaza?), wie Simon diese Plätze stets nannte, gleicht. Es gibt nicht eine einzige Sitzgelegenheit, die nicht zum Konsum eines Getränks verpflichtet. Das macht mir natürlich zu schaffen.
Zur Zeit bin ich mal alleine daheim. Letztes Mal war das im Dezember für zwei oder drei Tage der Fall und ich hatte ein echtes Tief. Diesmal ist Anni verreist und hat mit Veronika und Christina auch meine anderen beiden wichtigsten Damen von hier abgezogen. Also habe ich viel Zeit für mich, die Leute in meiner Umgebung, die Sprache, gute deutsche Bücher (ach, Narziß und Goldmund war großartig!) und eben das Büro. Es entsteht so langsam ein Alltag und nach mehr als sieben Monaten ist das ein wunderbares Gefühl! Morgens aufzuwachen (in der Regel immer ein bisschen zu spät, da der Wecker so leise ist und die Bücher abends einfach zu viel Zeit beanspruchen...ist aber auch nicht weiter schlimm, weil mein Ofen kaputt ist und mir deshalb morgens den Haferschleim mit Wasser aus dem Wasserkocher zubereite, was im Nu erledigt ist) und schemenhaft zu wissen, was der Tag so bringen wird und dann abends zu denken "jo, das hast du aber wieder gut gemacht, Hannes!" (das war jetzt wohl etwas übertrieben) – das beruhigt und befriedigt.
Es ist aber mitnichten so, dass mir langweilig würde. Als zumindest Christina noch hier war, sind wir zu zweit nach Arusha gefahren und frönten dem Luxus. Mit Sushi, Kino und "El Clasico" (Real Madrid – Barcelona) verbrachten wir einen tollen Tag. Letztes Wochenende lernte ich das Nachtleben Moshis mal mit anderen Leuten und ganz ohne einen Tropfen Alkohol kennen und konnte für mich selbst nachvollziehen, warum ich mir freitags oder samstags gerne mal den ein oder anderen Tropfen gegönnt habe. Bitte nicht missverstehen, das liegt nicht an den Leuten, sondern an den Locations.
Gestern war ich mit einem Freund abends essen, Hühnchen! Sehr interessant, da dieser Tansanier indischen Ursprungs unglaublich viel über dieses Land weiß und wir auch noch einen alten Freund von ihm trafen. Italiener, in der vierten Generation in Tansania, der auch sehr viel zu erzählen hatte. Immer wieder erfreue ich mich hier, was für spannende Leute und was für unglaubliche Geschichten man hier zu hören bekommt. Dass zum Beispiel im Süden Moshis früher riesige Wälder mit all den wilden Tieren, die es auch den Nationalparks gibt, wucherten, die aber alle in den letzten Jahrzehnten den Kohleproduzenten zum opfern fielen und mit deren Niedergang auch die Tierpopulationen ausgelöscht wurden. Ein Problem, dass ausnahmsweise mal nicht von den Kolonialisten gebracht wurde...
Ich merke, ich verliere langsam den Faden. Habe ich ihn überhaupt jemals gehabt? Nun denn, bis bald! Ich lade mal ein paar Fotos hoch...Gruß!
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Hannes, hast du meine Karte bekommen?? Ich hoffe, die Post hat die nicht geschluckt oder unter Vulkanasche begraben (wobei ich die eigtl schon vor über 2 Monaten abgeschickt habe). Naja ich warte auf die Gegenkarte!
AntwortenLöschenGestern bin ich den Halbmarathon hier in Heidelberg mitgelaufen, landschaftlich unglaublich schöne, aber sehr anspruchsvolle Strecke (300 Höhenmeter), und ich hatte eine so überraschend gute Zeit (1:56h), dass noch niemand meiner "Fans" im Ziel war, als ich ankam. Naja, das hab ich für die Zeit gern in Kauf genommen :)
Also: viele Grüße aus HD bei allerfeinstem Wetter!
Lisa