Ein letztes Mal bin ich nach Moshi zurückgekehrt, bevor ich in eineinhalb Wochen endgültig abreisen und in genau zwei Wochen ins Flugzeug steigen werde. Gemischte Gefühle.
Zur Zeit habe ich einen Auftrag zu erledigen, der sich aber nicht ganz so einfach gestaltet, wie es sich jene denken, die ihn mir gegeben haben: ich soll den Businessplan für das geplante Biokaffeecafé ausarbeiten und die Vorbereitungen zu dem Projekt so weit wie möglich voranbringen, sodass nach meiner Abreise nur noch kurz eingekauft werden muss und das Café eröffnet werden kann. Eine Woche bin ich durch Moshi spaziert – nein, gerannt! – und habe so viel ich konnte Preise abgefragt, Räumlichkeiten überprüft und den Businessplan Stück für Stück ausgefüllt. Doch es lässt sich halt nicht alles alleine machen. Und es stellt sich auch die Frage, ob es sinnvoll ist, überhaupt nur ein Teil in Moshi zu kaufen, wo es im Großhandel in Dar wohl viel billiger ist. Und wo bekomme ich die besten Kaffeemaschinen? Oder zumindest eine Kaffeemaschine, die mehr als fünf Tassen in einer halben Stunde brüht? Wo werbe ich einen Koch an? Woher weiß ich, dass der angegebene Mietpreis nicht von der Hautfarbe abhängig gemacht wurde? In vielen Fragen brauche ich einfach einen Einheimischen bei mir, der entsprechende Kontakte und entsprechendes Wissen hat, ansonsten komme ich nicht weit.
Die Arbeitseinstellung in unserem Büro kommt mir da nicht gerade zugute. Prinzipiell gilt, wer höher steht, kann delegieren, wer unten ist, hat nichts zu melden. Als Freiwilliger bin ich selbstverständlich der Letzte in der Hierarchie. Damit habe ich gar kein Problem, das ist ja nur logisch, aber dass ich deshalb bei der Äußerung eines Wunsches genauso gut mit dem Laptop oder der Wand reden könnte, ist enttäuschend. Zumal Grace momentan weg ist und von den anderen kein Interesse an dem Caféprojekt zu verspüren ist. Jeder arbeitet halt sein Ding runter.
Die Tatsache, dass ich im Moment alleine an dem Projekt arbeite, bereitet mir auch insofern Sorgen, dass ich nicht weiß, wer die Sache dann weiterführen wird. Und wie?!? Geplant ist ja ein Café. Ich wollte dort noch eine Ausstellung über Kaffeeanbau in der Region, Biokaffee und den globalen Kaffeemarkt reinpacken. Grace ist es wichtig, dass ein Internetcafé darin ist. Und wenn wir im Büro drüber reden, geht es immer nur um “das Internetcafé”. Trotz aller Erklärungsversuche habe ich es bis dato nicht geschafft, die Ausstellung als wichtigstes Nebenprojekt zu etablieren und ich befürchte, dass es in meiner Abwesenheit niemals eine Ausstellung geben wird...was machen!?!
Nun denn, als ich den Businessplan soweit hatte, wie ich ihn ausarbeiten konnte, verließ ich Moshi noch einmal. Ich war von einer Freundin, Abi ihr Name, nach Nairobi eingeladen worden. David und ich hatten sie bereits während unserer Reise besucht und sie hatte uns eingeladen, noch einmal zu kommen, wenn sie mit ihren Examen fertig sein würde, sodass sie uns rumführen könne. David konnte die Anreise aus Malawi aufrgrund der Distanz natürlich nicht antreten, so bin ich letzten Samstag alleine nach Nairobi gefahren.
Wir spazierten durch die Innenstadt, aßen Fast Food Pizza und setzten uns in die ein oder andere Bar. Diese Establishments hätten von der Atmosphäre her auch in Frankfurt sein können. Seichte Musik, viele Menschen, gehobene Preise, gemütlich eingerichtet. Gäbe es so etwas in Moshi, es wären nur Weiße dort. In Nairobi gehen aber auch (vor allem) Einheimische weg und so waren die Bars stets gut besucht, ohne dass ich einen einzigen Weißen sah. Es ist nicht weit von Moshi nach Nairobi, fünf- oder sechshundert Kilometer vielleicht, aber es sind Welten, was das soziale Leben anbelangt. Doch auch Dar Es Salaam, Blantyre, Arusha und wo ich sonst noch war sind noch viele Schritte hinter Nairobi zurück. Etwas unangenehm war bloß, dass Abi und ich in keine Tanzbar gehen konnten, da das männliche Geschlecht dort erst nach 26 Lenzen eintreten dart. Ärgerlich. Da dachte ich mir dann, dass die Nairobianer vielleicht einen Tick zu cool sind. Naja, wir waren nur den einen Abend weg, am nächsten Tag fuhren wir nach Mombasa.
Dort besuchten wir Taiyani, Abis Schwester, die uns nicht nur wunderbar rumführte, sondern uns auch Obdach auf einer Matratze in ihrem kleinen Zimmer gab. Für sie eine Selbstverständlichkeit, der ich sehr, sehr dankbar bin. Da haben wir sie wieder – die uneingeschränkte Gastfreundschaft, die ich während der letzten elfeinhalb Monate erfahren habe.
In Mombasa fühlte ich mich so unwohl wie noch nie, seit ich in Ostafrika unterwegs bin. Nicht, dass ich stets Angst hatte, ausgeraubt zu werden, ich war ja auch in Begleitung Einheimischer, die Bescheid wussten. Eigentlich gibt einem diese Begleitung neben der Sicherheit auch immer das Gefühl, viel näher an der Gesellschaft dran zu sein. Diesmal nicht. In Begleitung zweier junger, hübscher, schwarzer Mädchen war ich sofort als Sextourist abgestempelt und wurde von den normalen Einheimischen verächtlich, von den dicken, schnauzbärtigen Deutschen (traurig, aber wahr: fast alle der einsamen Herren, die ich am Strand oder in den Bars sah, waren Deutsch) bewundernd und von den Scharen von Prosituierten begehrend angeschaut. Die Tatsache, aus Prinzip als Freier angesehen zu werden bewirkte mein Unbehagen.
Mombasa ist das erste Reiseziel, das ich hier auf meinem Blog als nicht empfehlenswert bezeichne. Mit Abi und Taiyani hatte ich eine schöne Zeit, doch die Stadt trug nichts dazu bei! Noch eine kleine, unangenehme Geschichte gefällig, die mal wieder ein schlechtes Bild auf den weißen Mann wirft?
Taiyani leistet gerade ein dreimonatiges Praktium in einem Fünf-Sterne-Hotel ab. Sie arbeitet in dieser Zeit in allen möglichen Bereichen und so war sie selbstverständlich auch schon als Kellnerin tätig. In langem Rock und anständiger Bluse, durfte sie sich dann von männlichen Kunden fragen lassen, ob sie nicht mit aufs Zimmer kommen möchte, ihre Figur sei so gefällig. Auf ein “Excuse me?” kommt dann auch keine Entschuldigung, sondern ein Geldangebot. Nein, kein Bordell, ein Fünf-Sterne-Hotel! In den Tagen in Mombasa betrieb ich Fremdschämen wie noch nie zuvor in meinem Leben...alles in allem hatte ich aber doch eine echt gute Zeit, was defintiv Abi und Taiyani zu verdanken ist.
Kommt noch ein Blog-Eintrag vor meiner Abreise? Ich denke doch! Ansonsten kann ich nur weiterleiten nach Ecuador, wo mein verehrter großer Bruder Simon sein weltwärts-Jahr in Angriff genommen hat: sim-lin.blogspot.com
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Oye Hannes!
AntwortenLöschenDanke für die Werbung und – natürlich – alles, was davor in deinem Bericht steht! Das mit den Sextouristen, die sich wahrscheinlich nicht als solche fühlen, ist widerlich. Gibt es aber überall, nehme ich an... Ich melde mich die Tage mal »richtig« bei dir. Nach dem Bundesligastart von Dortmund! Bis dahin werde ich andere Freiwillige kennenlernen: Morgen geht es nach Otavalo, wo schon meine Kolleginnen und Kollegen warten...
Saludos muy cordiales desde Quito, hermanito!
Hasta la próxima, y chao!
Simon