Seit Freitag bin ich wieder in meiner Stadt, in neuem Zimmer in der Innenstadt und genieße die Planungssicherheit des Sesshaften. Wo schlafe ich morgen? Wann esse ich wo? Verträgt sich die Portion Reis auch mit den weiteren sechs Stunden pausenloser Busfahrt? Wo dusche ich das nächste Mal? Wann kann ich mal meine Klamotten waschen? Kann ich es wagen mit dem Rucksack im Dunkeln allein rumzurennen? Ist es gefährlich in Badeschlappen mit Rucksack auf dem Rücken und Zelt und Tasche in den Händen mit fünfzig Km/h, ohne Helm auf einem kleinen Motorrad auf der Schotterstraße in Serpentinen runterzufahren? Sollte ich für den zehnfachen Preis ein Taxi nehmen?
Fragen über Fragen...eine Antwort fand sich immer. Ob das dann auch die schlaueste war, lässt sich beispielsweise am Beispiel der letzten sehr kontrovers diskutieren. Aber hier sei erwähnt, dass es in Uganda fast gar kein anderes Verkehrsmittel gibt. Gut, das war vielleich gelogen, doch das Motorrad fährt überall hin und egal, wo man sich befindet, ein Boda-Boda (so der Name der Motorradtaxis) findet sich überall. Und was macht man, wenn man acht Kilometer außerhalb des beschaulichen Jinjas auf einem Campingplatz oberhalb des riesigen Nils Zeltet. Nein, Minibusse gibt es da nicht :) Ja, Jinja war schon ein schöner Ort. Während David dort seine Bakterien aus Blut und Stuhl bekämpfte, kämpfte ich in den Stromschnellen des Nils gegen das Wasser oder rutschte auf einem Colakasten eine sechs Meter lange Betonrutsche runter, um dann aus dreieinhalb Meter Höhe in den Nil zu springen.
Für unseren gesamten Ugandaaufenthalt lässt sich sagen, dass wir ziemlich wenig mit den Einheimischen in Kontakt waren. In Jinja redeten wir einmal über eine Stunde mit einem Einheimischen über das zum Scheitern verurteilte Bildungssystem der Afrikaner, über den Einfluss der Religion (er ist mit 18 aus dem Islam raus und bis heute der Überzeugung, dass die Weltreligionen Afrika nur ausnehmen), über Panafrikanismus und noch vieles mehr. Aber ansonsten hielten wir uns aus Budgetgründen immer auf Campingplätzen auf und die liegen ja meistens etwas ab vom Schuss, sodass man einfach dort liegen oder sitzen bleibt und liest, sich mit anderen Reisenden, den Inhabern (meist auch keine Einheimischen) oder dem Personal unterhält oder einfach die Schönheit der Natur genießt. Ob in Jinja, auf den Ssese Islands oder am Lake Bunyonyi, überall waren wir in atemberaubend schöner Umgebung. In Jinja campten wir wie gesagt am Ufer des Nils und blickten von einer schönen Terrasse auf den riesigen Fluss hinunter. Auf den Ssese Islands auf einer schönen Wiese direkt am Strand, ließ sich der dauerhafte Sonnenschein, sowie der wunderbare Sonnenuntergang im Lake Vicotria genießen. Und am Lake Bunyonyi nächtigten wir auf einer Insel, mitten in dem sauberen, dunklen Wasser, zwischen den steilen Hängen der allgegenwärtigen Berge und unter dem permanenten Wolkenschirm. Ja, es war wirklich sehr märchenhaft.
Vor Uganda waren wir logischerweise (man nehme eine Karte zur Hand) in Kenia. Dort beließen wir es hauptsächlich bei Nairobi. Die Stadt hat mich echt ziemlich umgehauen. Bartholomäus Grill, dessen Buch “Ach, Afrika!” auf dieser Reise genoss, schreibt, auf ein Zitat Musevenis (ugandischer Präsident) aufbauend, dass ohne eine Mittelschicht keine nachhaltige Entwicklung in Afrika stattfinden wird und dass Nairobi eines der gantz wenigen Exempel für ein solches Gesellschaftsphänomen ist. Den Eindruck hatte ich auch. Es war praktisch wie in einer europäischen Großstadt. Die Hautfarbe war halt anders und als wir uns das Spiel Deutschland – Spanien ansahen, merkten wir auch, dass die Leute innen drin noch ihre ursprüngliche Heiterkeit besitzen. Was in Nairobi auf den Straßen los war, war enorm. Überall Autos, viel Stau und Menschenmassen, wie ich sie vielleicht in Chicago, aber noch nirgendwo in Europa gesehen habe. Da war ich echt beeindruckt. Am besten in Erinnerung geblieben, ist mir die Gastfreundschaft von Abigail, einer kenianischen Studentin, die ich auf Zanzibar kennengelernt hatte und die uns bei sich wohnen ließ, die Orientierungslosigkeit von David und mir und die herrlichen Minibusfahrten. Die Matatus, so heißen die Büsschen in Kenia und Uganda, in Nairobi sind nicht zu vergleichen mit den tansanischen Daladalas. Keiner steht, es ist Schwarzlicht an und währen man im Stau steht und man aus dem Fenster sieht, dröhnt aus einer Tip-Top-Musikanlage Raggae und Hip-Hop, den man aufgrund der riesigen Bassboxen im ganzen Körper spürt. Da will man gar nicht mehr aussteigen!
Nach Uganda folgte zum Abschluss Ruanda. Dort waren wir bei Porres, einem Cousin Grace's eingeladen, der in Kigali wohnt. Das war dann nach all den Campingplätzen wieder etwas vollkommen anderes und ließ uns für ein paar Tage aus dem Backpackertrott heraus in den afrikanischen Alltag eintauchen. Vier Familien, ein Klo, ein Wasserhan auf Hüfthöhe, alle haben einen Hausjungen – ja, die Standards sind unterschiedlich. Faszinierend war, wie gebildet und weltoffen Porres und all seine Freunde waren. Sie konnten uns so einiges über die ruandische Politik und den Befreiungshelden Paul Kagame erzählen und waren in Sachen deutscher und Weltpolitik unglaublich neugierig, was wir so sagen. Beeindruckend war auch, wie gut wir mit den Jungs über den Genozid reden konnten. Das kann aber auch daran liegen, dass sie und ihre Eltern zu jener Zeit alle im Exil in Uganda waren und dann erst Mitte oder Ende der Neunziger nach Ruanda kamen.
Ja, der Genozid. Ein Museum europäischen Standards erinnert daran und hat mich echt geschockt. Bilder von Kirchen, in denen Stunden lang, Reihe für Reihe, ein Hilfesuchender nach dem anderen, mit der Machete abgeschlachtet wird, Geschichten von Kindern, die zerstückelt oder einfach gegen eine Wand geschmissen wurden, Menschen, denen die Beine verletzt oder abgeschnitten werden, sodass man sie in Ruhe liegen und leiden lassen kann, um Tage später zurückzukommen und den Todesstoß zu geben. Schrecklich!
Und dann sieht man das heutige Ruanda. Gerade einmal sechzehn Jahre später. Hochhäuser schießen in Kigali aus dem Boden, das Straßennetz ist so ausgebaut, dass der Verkehr, verglichen mit Nairobi oder Dar ungefähr so wirkt wie der Verkehr in Geisenheim-Johannisberg verglichen mit dem Wiesbadener Kreuz. Große, beleuchtete Straßen, Palmen auf dem Mittelstreifen, Ampeln, gute Busse – alles Zeichen wirtschaftlicher Entwicklung. Der Mann hinter dieser Entwicklung ist Paul Kagame. Das ist zumindest, was David und ich erfahren haben. Polizisten und Ministerialbeamte, mit denen wir zusammenlebten, stellen ja nicht immer die objektivste Quelle in Sachen Politik dar. Und am 09.08., in nicht einmal einer Woche, wird er alle Voraussicht wiedergewählt. Überall starrte er uns durch seine Brillengläser hindurch an, auf den Straßen tanzten Leuten in seinen T-Shirts und anstatt wütend zu hupen und vorbeizurasen stimmten die Autofahrer lachend in die Wahlkampagnienparties ein und hupten munter mit. Hört man davon etwas in Deutschland? Wie ruhig und gesittet es in Ruanda vor der Wahl zugeht? Vermutlich interessiert das wieder keinen...nach den Granatenanschlägen im März oder April wurde die Militär- und Polizeipräsenz auf jeden Fall aufgestockt und seitdem geht es echt friedlich zu. Ist ja auch mal eine Meldung wert, oder?!?
Für zwei Tage fuhren David und ich dann noch an den Lake Kivu, in das Grenzstädtchen Gisenyi. Da oben ist alles sau teuer! Noch teurer war es dann in Goma, im Kongo, wo wir einen Tag lang rumspazierten. Dort wird dann auch am besten in Dollar bezahlt. Kein Wunder, wenn man sieht, wie viele UN-Soldaten dort rumhüpfen oder in den unzähligen UN-Jeeps (wer diese Autos sieht, der kann der UN Inkonsequenz im “Klimakampf” vorwerfen oder die kongolesische Straßenbaubehörde für ihre Dschungelstraßen ankreiden) rumkutschiert werden. Diese Seuchenstadt (seit dem Genozid 1994, wo alle Flüchtlinge dort hinkamen, gab es zwei Bürgerkriege, eine Choleraepidemie und einen Vulkanausbruch) ist in ihrem Gesamtbild echt hässlich und ziemlich grotesk. Neben der dreckigen Hauptstraße erstrecken sich unzählige Villen und überall werden noch mehr von diesen Palästen hochgezogen. Nette Säulen in der Fassade, schöne Dachziegel, riesiges Grundstück mit ebenso gigantischer Mauer und Stacheldrahtzaun – und um die Ecke schreit die Armut. Naja, immerhin schafft die UN Arbeitsplätze im Baugewerbe!
Nach Gisenyi/Goma kehrten wir noch für eine Nacht in Kigali bei Porres ein und machten uns dann auf einen langen Rückweg. Erster Tag: Kigali – Grenze – Kahama (hier schliefen wir für 2,50€ pro Person in einem Riesenbett, hatten ein eigenes Bad und einen Fernseher mit so viel Privatsendern, dass wir das Spiel um Platz drei der Fußball-WM nochmal sehen konnten). Zweiter Tag: Kahama – Dodoma. Dritter Tag: Dodoma – Moshi. Am Ziel! David fuhr von Kahama nach Morogoro, weiter nach Mbeya und dann nach Malawi rein und war einen Tag später am Ziel.
Ja, am Ende dieser großartigen Zeit war ich echt fertig und glücklich, wieder in Moshi zu sein. Jetzt ist noch ein Monat verblieben und dann werde ich auch schon wieder zurück in Deutschland sein. Die Vorfreude ist groß, die Lust, Moshi jetzt einfach noch einen Monat lang ganz gemütlich zu genießen aber auch.
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Lieber Hannes,
AntwortenLöschendanke für deinen ausführlichen Bericht!
Über Paul Kagame wird hier in Deutschland in der Tat nur im Weltspiegel berichtet und in der taz. Er scheint sehr viel auf die Beine zu stellen, ist aber wohl nicht unumstritten...
Lass es dir im letzten Monat in Moshi gut gehen!
Liebe Grüße
Hermien
Lieber Hannes!
AntwortenLöschenSchön, dass Du bald wieder in der Nähe bist!...
Hab noch eine schöne Zeit in Moshi!
Liebe Grüße von Moni