Freitag, 25. Juni 2010

Mit der Taktzahl meiner Blogeinträge in der ersten WM-Woche habe ich die Latte wohl ein bisschen zu hoch gelegt. Ganz so oft kann ich nun auch nicht schreiben. Es ist nicht so, dass ich dazu keine Zeit hätte, doch ich genieße meine Freiheit lieber mit anderen Leuten, als mit dem Computer, sodass Blog und Mails und Internet überhaupt momentan recht kurz kommen. Man möge mir das nachsehen.
Ja, die Freizeit mit anderen Leuten verbringen. In der Regel heißt das entweder, am Gemüsestand chillen oder im East Africa Fußball schauen. Auf letzteres komme ich nun kurz zu sprechen, bevor ich mich dann meine Ladies vom Gemüsestand etwas ausführlicher widmen möchte.
Deutschland – Serbien war ein Graus! Nicht, dass es fußballerisch nicht anzusehen war, doch die schadenfrohen Tansanier gingen mir an diesem Nachmittag tierisch auf die Nerven! Aber dass die Fußballfankultur hier nicht meinem Ideal entspricht, hatte ich ja bereits erwähnt. Dass ein afrikanisches Team nach dem anderen die Koffer packt, schürt die Euphorie nicht unbedingt an. Und obwohl Ghana die nächste Runde erreichte, war beim Spiel Deutschland – Ghana nichts los. Nur eine Gruppe Deutscher und vereinzelt sitzende Tansanier verirrten sich ins East Africa. Deutschland scheint aber generell kein Publikumsmagnet zu sein. Da fehlen schließlich die großen internationalen Stars. Ist aber nicht schlimm, so bekomme ich wenigstens immer einen wunderbaren Sitzplatz und Deutschland gewinnt ja auch so 
Wohl noch spannender als die WM ist der derzeit in Moshi stattfindende East Africa Cup. 1200 Schüler aus Uganda, Kenia, Tansania, Ruanda, Burundi und Sambia tragen hier die Fußballmeisterschaften Ostafrikas für Mädchen und Jungs aller Altersklassen aus. Ich habe einen Tag vorbeigeschaut und mich an den vielen unterschiedlichen Menschen und dem Fußball erfreut. Da ich momentan im Büro mit Computerarbeit ziemlich beschäftigt bin, kam ich leider nicht zu einem zweiten Besuch. Morgen sind allerdings die Finals und da werde ich keinesfalls fehlen. Berichte werden folgen.
Überhaupt finde ich das interessant und beschämend zugleich, dass hier, wo es eine handvoll Teerstraßen und noch weniger gescheite Fußballplätze gibt, eine solch riesige Meisterschaft gibt, während in Deutschland solche Wettbewerbe immer von den gleichen zwei, drei Schulen aus dem Kreis wahrgenommen werden und die Resonanz meist ziemlich erbärmlich ist. Ist ja nicht so, als hätten wir infrastrukturelle Probleme, geschweige denn mangelndes Interesse an Sport. Schulsport ist halt leider nicht groß in Deutschland...
Nun zurück zum Gemüsestand. Dort hänge ich eigentlich fast jeden Tag ab. Eine Mittagspause und dann vor allem nach der Arbeit oder nachdem ich in der Stadt war. Täglich bis abends um acht liegen Obst und Gemüse auf den Holzplanken unter dem Wellblechdach. Gekauft habe ich dort aber schon ewig nichts mehr. Ich sitze immer auf der Bank neben dem Holzstand und unterhalte mich mit Vero, Mama Lea, Salome, Anna oder einem ihrer Gäste. Mama Lea führt den Laden mit eiserner Hand und ist eine herzensgute Frau. Ihre älteste Tochter, die dreizehnjährige (wer hätte gedacht, dass sie so heißt) Lea hilft zur Zeit auch kräftig mit. Anna ist im Urlaub, Schule ist in der vergangenen Woche nicht gewesen, da müssen die Jüngeren auch ran.
Anna ist immer ziemlich lustig und lässt recht wenig Ernstes von sich. Genauso alt wie ich, jedoch allein erziehende Mutter eines zweijährigen Jungens, führt sie doch ein recht hartes Leben. Dass sie trotzdem so viel rumblödelt macht sie umso sympathischer.
Salome ist genauso alt und hat auf jeden Fall die schwärzeste Haut von allen. Sie albert auch recht viel rum und wirkt offen gestanden auch nicht immer neunzehn Jahre alt. Vor allem, wenn man sie mit der guten Vero vergleicht. Die ist zwanzig und Schwester von Anna und Mama Lea. Sie ist wohl eine der ganz wenigen Tansanier, wo ich sagen würde, einen echten Freund (ich meine Freundin) gefunden zu haben. Ein unglaublich vernünftiges, bescheidenes und nettes Mädchen. Sie ist auch die, die immer sagt, dass sie nur für Besuche nach Europa wollen würde und die zwar Interesse an meiner Lebensart zeigt, vieles aber komisch oder abstoßend findet. Besonders die Verschlossenheit der Weißen schreckt sie ab. Dass sie aber trotzdem Interesse an Deutschland ("Wofür stehen denn eigentlich die Farben eurer Nationalflagge?!? Das Schwarz der tansanischen Flagge steht für unsere Hautfarbe, aber ihr seid doch weiß!") und der ganzen nördlichen Hemisphäre zeigt, erfreut mich immer wieder.
Dass sind jetzt einige Damen. Dass an einem kleinen Gemüsestand nicht genug Arbeit für alle ist, kann man sich denken. Aber der Stand ist auch nur eine Nebeneinnahme, glaube ich. Primär verdienen sie sich ihr Geld durch ihre Kochkünste. Im benachbarten Gefängnis sitzen nämlich vier kenianische Bankräuber, die noch einige Reserven ihrer Beute besitzen und keinen Appetit auf das Gefängnisessen haben und Mama Lea und ihr Team täglich zweimal mit Essen einlaufen lassen. Morgens gibt es Frühstück und mittags kommt eine große Ladung für den Rest des Tages. Die Unmengen Essen, die die vier verspeisen, machen mich echt immer wieder neugierig, wie dick sie wohl sind. Neben Essen werden auch Zeitungen reingebracht. Erzählungen zufolge leben die Herren ein sehr entspanntes Leben.
Ja, ich bin echt froh, diese Mädels getroffen zu haben. Keine spricht auch nur mehr als zwei zusammenhängende Worte Englisch, was ein wunderbares Kiswahilitraining für mich ist und wir verstehen uns einfach gut. Ich denke auch, dass die Freude durchaus nicht nur von meiner Seite aus kommt, denn wenn der blonde Weiße den Weg vom Daladala bis zum Gemüsestand, zur Musik der Bar singend, angetanzt kommt, ist das für alle Zuschauer wunderbare Unterhaltung. Und all die Geschichten, die ich von daheim mitbringe oder hier in Tansania erlebe, erfreuen die Mädels immer sehr.
So, Freunde der Nacht, bevor das Spiel Brasilien – Portugal beginnt, möchte ich grade noch einmal am Gemüsestand grüßen. Es eilt!
Liebe Grüße nach Deutschland

Freitag, 18. Juni 2010

Das ist doch zum Haare raufen!

Aus verschiedenen Gründen habe ich in den letzten Tage kein Spiel mehr über die volle Zeit gesehen, doch natürlich bin ich immer noch voll auf der Höhe. Während ich mit einigen Freunden deren Abschied in Arusha im Kino war, ging Südafrika 0:3 gegen den zweifachen Weltmeister Uruguay unter. Die Chancen aufs Weiterkommen und die Hoffnungen des gesamten Afrikas auf ein Fußballwunder sind jetzt nur noch minimal. Für das Fußballwunder des Heiligen Ottmars, dem ich als Dortmundfan auf Ewigkeit für Dank verpflichtet bin, konnten sich fast keiner begeistern. Immerhin sind die spanischen Stars allen bekannt und hier auch durchaus beliebt. Die Enttäuschung war dementsprechend groß. Meine Freude vielleicht noch ein bisschen größer. Noch mehr hätte ich natürlich über das „Wunder von Takeshi's Castle“ gefreut. Ich weiß, die Sendung ist japanisch, doch beim Bau des roten Abwehrbollwerks der Nordkoreaner musste ich sofort an diesen Mist denken. Leider hat es dann ja nicht geklappt. Wieder waren die Tansanier auf der Seite der Favoriten, was ich sehr enttäuschend fand. Die letztmals erwähnte Soidarität unter den afrikanischen Fußballmannschaften ist definitiv keine Solidarität unter Fußballzwergen. Dass ich nach dem Anschlusstreffer aufsprang und mehrmals rief, dass noch alles möglich ist, hatte ich mich nicht nur ein bisschen lächerlich gemacht, sondern scheinbar auch wieder bei einigen Leuten im Kopf eingeprägt.
Als ich gestern die enttäuschende Niederlage der Nigerianer gegen die von Rehakles trainierten Griechen im überfüllten East Africa ansah, wurde ich gefragt, ob ich nicht der Typ sei, der für die Chinesen war. Ja, alle Ostasiaten werden gemeinhin als „Mchina“, Chinese, bezeichnet. Während des Brasilienspiels wurde sich auch prächtig unterhalten. Man lästerte über Christina Ronaldo, wie sie immer durch die Gegend fliegt und als ein Brasilienfan nach dem eins zu null sagte, dass die Brasilianer ja echt nicht so schlecht seien, antwortete ein anderer: „Ey, die führen eins zu null gegen eine Mannschaft, deren Spieler nicht einmal sehen könnten.“ Nein, damit möchte ich die Tansanier nicht schlecht darstellen. Ganz im Gegenteil: im East Africa herrscht immer großartige Fußballstimmung und alle sind am klatschen, jubeln, pöbeln, Schiri und Spieler beschimpfen und scherzen. So habe ich die Tansanier zuvor noch nicht erlebt. Auch hier liegt das wohl primär daran, dass ich inzwischen einfach ausreichend verstehe, um auch bei Witzen lachen zu können. Von Tag zu Tag habe ich mehr Spaß in der Bar. Langsam kristallisiert sich eine Stammgemeinschaft von fünfzehn, zwanzig Leuten heraus und als einzige Weiße stechen Anni, Aidan (der uns momentan besucht) und ich natürlich heraus.
Zurück zum Spiel der Nigerianer: leider hatte ich die erste Halbzeit und somit wohl auch die größten Emotionen verpasst. Eins zu null Nigeria, rote Karte für Nigeria, eins zu eins. Als der einzigartige Chancentod Theofanis Gekas dann in der Mitte der zweiten Halbzeit eine weitere Riesenchance vergab und im Gegenzug die nigerianische Führung durch eine Großtat des griechischen Hintermanns und die Unfähigkeit Chinedu Obasis verhindert wurde, stand die Bar Kopf. Der nigerianische Konter ließ alle aufspringen, Tische wurden gerammt, Stühle fielen, literweise Bier wurde verschüttet und im Nachhinein war die Enttäuschung natürlich groß...besonders als die Herren vom Pelepones in Führung gingen und die Nigerianer sich ihrer Einfallslosigkeit nicht entledigen konnten, wurde immer mehr geschimpft. Das war ein bisschen wie wenn eine F-Jugend-Mannschaft in Deutschland Fußball schaut und ihr Team verleirt. Dann wird irgendwann auf Frust umgeschaltet und die eigenen Spieler werden beschimpft. Diese Beschimpferei führte schließlich auch zur heutigen Überschrift, als ein nigerianischer Rasta zu Boden ging und einige Leute bloß „Ach...ein Rasta...“ von sich gaben.
Schon beim Spiel der Elfenbeinküste war ich ganz erstaunt von den unterschiedlichen Haarprachten. Kurze und lange Rastas, geflochtene Zöpfe, Irokesenschnitte und was nicht noch alles. Was müssen sich die Tansanier da denken? Wenn ich im East Africa bin, kann ich zwischen den Männern unterscheiden, die eine Kappe auf der Glatze haben und denen, die eben keinen Kappe tragen. Der ein oder andere lässt sich einen Kevin-Kuranyi-Bart lassen und manche versuchen, einen Schnauzer anzudeuten. Die Vielfalt an haartechnischen Highlights ist aber sehr, sehr überschaubar.
In Moshi gibt es viele junge Männer, die sich Dreadlocks machen. Leider ist der Großteil von ihnen ungefähr so sehr Rasta wie Guido Westerwelle. Es handelt sich um knallharte Abzocker (das bezieht sich natürlich nucht mehr auf unseren Guido), die einem von Gras und Kokain über Kilibesteigungen und Safaris bishin zu jedem erdenklichen Souvenir einfach alles verkaufen wollen. In erster Linie handelt es sich um Souvenirs und das kann dann schon gut passieren, dass man eine Viertelstunde von einem bekifften und besoffenen Rasta durch due Stadt begleitet wird, während er verzweifelt versucht, Ware an den Mann zu bringen. Irgendwann wird dann die Mitleidsnummer ausgepackt, die Preise gehen ein bisschen runter und es wird gesagt, dass man ja auch was zu Essen braucht. In den meisten Fällen stimmt das wohl auch, doch meistens verweigere ich mich dennoch, denn ich sehe keinen Anlass, einen jungen Mann, der mittags schon vollkommen zugedröhnt ist, in irgendeiner Weise mit meinem Geld zu unterstützen. Ihm zu helfen, dafür sehe ich Anlass. Das liegt aber nicht mehr ganz in meinem Kompetenzbereich, sodass mir wenn überhaupt die finanzielle Hilfe bleibt.
Noch etwas zum Haar: es gibt auch einen Stadt bekannten Transvestiten. Dieser flächtet sich die Zöpfe bis zum Hintern. Er ist der einzige Mann, den ich hier mit der Flechterei im Haar gesehen habe. Bei den Mädchen und Frauen sind die verschiedensten Frisuren möglich, die meisten werden mit Kunsthaar gemacht, doch wie schon gesagt, als Mann lässt man sich einfach regelmäßig seine Glatze schneiden.
So, heute spielt Deutschland und ich habe gehört, es gibt eine neue 'Schland-Version. Die werde ich mir nach Möglichkeit zur Einstimmung anhören und dann mit einigen Deutschen ins East Africa bringen. Ich freue mich und hoffe, dass zumindest Ghana und die Elfenbeinküste die nächste Runde erreichen.

Bis bald!

Dienstag, 15. Juni 2010

Pause

Vor einer guten Stunde endete das Spiel Elfenbeinkueste gegen Portugal – torlos…Wie bei allen Begegnungen mit afrikanischer Beteiligung war das East Africa Pub wieder gestopft voll. Doch ich wusste ja Bescheid und war rechtzeitig vor Ort, um einen guten Platz vor dem Fernsehgeraet zu ergattern.
Leider war das Spiel relativ ereignisarm, sodass sich die Stimmung in Grenzen hielt. Einzige Ausnahme stellte die Einwechslung Didier Drogbas dar. Jedes Mal, wenn er im Bild auftauchte, auf der Auswechselbank, beim Einlaufen und natuerlich bei der Einwechslung, klatschten die Leute in die Haende und machten Laerm.
Wesentlich froehlicher waren die Zuschauer hingegen am Sonntag. Nein, nicht wegen Deutschland, sondern wegen des Sieges von Ghana. Endlich mal ein afrikanischer Sieg! Bis dato bekanntermassen ja auch der einzige…scheinbar waren die Leute danach muede oder einfach desinteressiert. Beim Deutschlandspiel war die Bar auf jeden Fall ziemlich leer. Mir kam das aber gerade recht, da ich somit viermal ausreichend Platz hatte, aufzuspringen und dabei meinen Stuhl zum Umfallen zu bringen. Gemeinsam mit Anni und zwei weiteren Deutschen feierte ich dieses Fussballfest! Meine Ankuendigung, nach jedem Tor eine Runde Konyagi zu schmeissen, zog ich mit der Zustimmung der anderen nach dem dritten Tor zurueck. Grade noch rechtzeitig vor dem finalen 4:0 Treffer Cacaus. Lustig war, dass in der Bar auch eine ganze Gruppe Australier ihr Team anfeuerte. Deren Leistung war verglichen mit dem Auftreten ihres Teams herausragend, doch wuerde ich mir selbst den Titel “Fan des Spiels” verleihen. Ich denke, das habe ich verdient ;)
Insgesamt geniesse ich die WM in vollen Zuegen und es steigen auch immer mehr Tansanier in den WM-Zirkus ein. Wollen wir mal hoffen, dass die afrikanischen Teams am zweiten Spieltag noch einen Tick erfolgreicher abschneiden und die Stimmung kocht. Es ist immer wieder faszinierend, welche Solidaritaet auf diesem Kontinent herrscht – zumindest in Fussballfragen. Ob der Spieler nun Eto’o, Drogba, Pienaar oder Gyan heist, alle werden sie geliebt und vergoettert. Selbst ein Henry hat aufgrund seiner Hautfarbe schon einen Fanbonus. In der naechsten Runde werde ich mich mal ueber die Beliebtheit Algeriens informieren, da Nordafrika fuer viele hier schon zu weit weg ist und man sich mit dessen Staaten und Buergern weniger solidarisch zeigt.
Die allgemeine Sympathie fuer Afrikaner beschraenkt sich aber tatsaechlich fast nur auf Persoenlichkeiten aus Sport, Musik und Film. Dass der Nigerianer ein Dieb, der Tansanier eine Schlafmuetze, der Suedafrikaner ja irgendwie schon gar nicht mehr ein echter Afrikaner, der Somali ein Terrorist und der Kenianer ein Verbrecher ist, das scheint Konsens zu sein. Und dass schliesslich alle Weissen im Geld schwimmen ist so selbstverstaendlich wie die Tatsache, dass der Afrikaner Obama sich letztens erstmals in seiner Amtszeit oeffentlich an seine wahre Heimat, Kenia, gewendet hat. Ueber Rassismus in Tansania koennte ich mich wochenlang auslassen. Doch stellt sich mir bei all den Streitfragen auch immer die Frage, ob es bei uns in Deutschland besser, bzw. warum es anders ist.
Ein paar Exempel: dass ich als Weisser immer angesprochen werde, kann durchaus als ein rassistischer Affront betrachtet werden. Schliesslich handelt es sich mitnichten immer nur um ein nettes Hallo, sondern haeufig werde ich gefragt, ob ich nicht ein Essen, ein Bier oder einen Softdrink springen lassen will oder nicht einfach mein Portemonnaie mit dem eines Tansaniers tauschen will. Immer wieder sind das auch Scherze, doch wenn ein Betrunkener mich morgens um elf anpoebelt, dass ich ihm doch sein Fruehstueck bezahlen soll, schuettele ich nur den Kopf und werde auch sauer. Doch machen wir uns mal nichts vor: Weisse, die durch Tansania spazieren, sind in den allermeisten Faellen wohlhabend. Zumindest fuer tansanische Verhaeltnisse. Da sind die zahllosen Freiwilligen hier in Moshi, die jades Wochenende feiern gehen und da sind Abenteurer und Fruehrentner, die sich fuer viel Geld am Kilimanjaro oder in der Serengeti vergnuegen. Die Annahme, dass die Weissen alle Geld haben, liegt fuer viele also auf der Hand. Dass es auch Massen gibt, die immer in Europa sind und dort teilweise sogar mit Armut kaemofen muessen, ist fuer viele hier einfach undenkbar.
Fuer mich ist aber folgendes viel wichtiger: zwar kommen mir auch einige Schnorrer vor die Augen, doch ueberwiegt die Zahl derer, die sich ueber den Weissen freut, nett ist und sich ueber meine Kiswahilibrocken riesig freut. Diese Direktheit und Offenheit, einfach das Gespraech zu suchen, mich auszufragen und sich an der Fremde zu erfreuen, finde ich grossartig, wenn auch immer noch ungewohnt. Als kleiner Test: welcher der Leser hat in Deutschland auf der Strasse schon einmal einen offensichtlich nicht deutschen ueber seine Herkunft ausgefragt und ihm am Ende gesagt: “Mann, herzlich willkommen in Deutschland!!” Natuerlich hat das auch seine Gruende. Allein schon, dass die meisten Weissen hier aus Urlaubsgruenden weilen, waehrend Deutschland ja eher das Praedikat “Einwanderungsland” verdient. Da moegen einige Politiker anderer Meinung sein, doch inzwischen ist das ja wohl ein Fakt…
Puu..einfach mal wieder ein paar Gedanken, die mich bewegen. Ich hoffe mal, nicht zu offensiv zu sein. Jetzt muss ich zurueck ins East Africa, einen guten Platz fuers Brasilienspiel ergattern. Internetcafezeit ist jetzt auch um.
Bis bald, auf dass Suedafrika morgen Abend gewinnt!

Sonntag, 13. Juni 2010

Die WM ist endlich eröffnet!!!!!!!

Ich bin umgezogen. Mein neues Zuhause ist das East Africa Pub Inn in der Innenstadt. Diese Bar ist mit vier ordentlichen Fernsehern ausgestattet, serviert Bier zu normalen Preisen, ist bei jedem Spiel gut gefüllt und hat sogar ein bisschen Essen auf der Karte. Okay, bei dem Essen handelt es sich nicht wie üblich um Reis, Maisbrei oder Chipsi (Pommes), sondern lediglich um frittierte Kochbananen (die mir wenig zusagen) und gegrilltes Fleisch. Mal sehen, wie mein Magen mit der Ernährungsumstellung bzw. -einschränkung auf Wasser, Cola, Bier und Fleisch reagiert.
Nach all den Befürchtungen, die Tansanier würden die Weltmeisterschaft nicht ernst nehmen, da ihr Team nicht dabei, bin ich sehr positiv überrascht. Die ersten beiden Tage waren stimmungsmäßig sehr positiv einzuordnen und das zwischenzeitliche 1:0 für die gute Bafana Bafana brachte die Bar zum kochen. Wunderbare Stimmung hier!! Natürlich wird immer ganz besonders für die afrikanischen Teams mitgefiebert und wenn das Spiel erst einmal läuft und der Alkoholkonsum mit fortschreitender Zeit den Pegel kontinuierlich in die Höhe treibt, wird bei jeder Ballberührung geklatscht und gebrüllt. Dass bei Auswechslungen aufgestanden und geklatscht wird, ist ja wohl selbstverständlich.
Letzten Montag wäre ich gerne nach Dar Es Salaam gefahren. Dort spielte die Tansanische Nationalmannschaft – die Taifa Stars – gegen Brasilien. Das 1:5 wertete ich als tansanischen Erfolg, doch stand ich damit allein auf weiter Flur. All die Tansanier die während des Spiels an ihrem Radio hingen, waren tief enttäuscht und beschämt. Natürlich setzte auch ich mich vors Radio, doch leider verstand ich wenig. Den Freudenschrei des Kommentators beim 1:4 werde ich jedoch nicht vergessen. Ja, Fußball im Radio ist schon einzigartig.

Ich wurde gebeten, einfach mal ein bisschen über die tansanische Gesellschaft zu schreiben. Natürlich gibt es da eine Menge zu erzählen, doch ist es echt schwer, ein Thema auszusuchen. Gibt es Fragen von der Leserschaft? Bisher habe ich es meist vermieden, ernsthaft über Land und Leute zu berichten, da ich das als fast unmöglich ansehe. Schon wenn ich mich mit anderen Ausländern unterhalte, merke ich, wie sehr unsere Wahrnehmungen auseinander gehen. Wenn ich nun also von hier erzähle, fürchte ich, meine verehrten Leser durch subjektive Eindrücke im Bezug auf Tansania unrechtmäßig zu euphorisieren oder zu verprellen. Nichtsdestotrotz denke ich gleichzeitig, dass es doch auch etwas Schönes und auch meine Pflicht ist, all jene, die daheim im sommerlichen Deutschland am Computer sitzen, an meinen Gedanken über Tansania teilhaben zu lassen. Wann lassen sich schon Informationen aus allererster Hand lesen und wo sonst habe ich die Möglichkeit, mich öffentlich mit meinen Gedanken, Gefühlen und Eindrücken auseinanderzusetzen und daraufhin vielleicht auch in den ein oder anderen Diskurs zu geraten? Also, über Anregungen, Rückfragen, Lob und Tadel freue ich mich!!

Womit beginnen? Ich erzähle einfach mal ein bisschen von meinem neuen Fußballtrainer. 21 Jahre alt, hat er letztes oder vorletztes Jahr seinen A-Level-Abschluss (vergleichbar mit dem Abi) gemacht und wartet nun auf seine Unizulassung für September. Wie fast alle Tansanier hat er sich für "Accounting" beworben. BWL...langweilig! Andere Optionen sind "Management and Human Ressources" (oder so ähnlich) und "irgendetwas mit Landwirtschaft und Management". Der Mangel an Naturwissenschaftlern scheint meiner subjektiven Wahrnehmung nach auch in Tansania vorzuherrschen. Ich habe bisher einen Ingenieursstudent getroffen. Ansonsten treffe ich hier in Moshi primär auf Mediziner, Jäger und Safariguides. Diese Studenten...leider kenne ich praktisch keine Studenten besser. Es handelt sich hier stets um Barbekanntschaften, die mir in der Regel am nächsten Tag schon ein bisschen auf die Nerven gehen. Meist spielt sich die Sache wie folgt ab: ein besoffener Student läuft auf einen angetrunkenen Hannes zu, spricht ihn auf Englisch an, Hannes antwortet auf Kiswahili, der Student freut sich, sagt, dass jener Mzungu, der Kiswahili spricht, schon ein echter Tansanier ist, sagt weiter, dass er der beste Freund ist, erfragt die Handynummer, die Hannes ihm sofort gibt, um das Gespräch so schnell es geht zu beenden, und dann hat Hannes die Ehre zehn Komolitonen kennen zu lernen, die sich alle denken "oh mann! Was hat unser Kollege nur alles getrunken, dass er jetzt schon mit einem Weißen zu prahlen versucht...". Oh, wollte ich nicht eigentlich von Immanuel, dem Fußballtrainer erzählen?!? Er war wirklich beeindruckend!
Klar, viele haben ein gewisses Interesse an der Fremde und am "Leben der Weißen", doch selten saß ich eine halbe Stunde mit einem Tansanier zusammen und hatte so großen Spaß daran, die Fragen eines jungen, interessierten Mannes zu beantworten. Wie ist das Wetter bei euch? Standardfrage...Wie ist euer Bildungssystem? Schrecklich ;) Hier folgte ein fünf Minuten langer Vortrag, der mir selbst nur verdeutlichte, dass ich erschreckend wenig weiß und dass unser Bildungssystem kompliziert ist. Dass Bildung aber meistens umsonst ist, scheint ihn fasziniert zu haben. Er muss im Jahr mindestens sechshunderttausend Schilling für die Uni berappen. Vierhundert Euro mag dem Deutschen nicht viel erscheinen, doch wenn man bedenkt, dass das weit über der Jahreseinkunft eines Hausmädchens liegt und dass es in etwa dem Monatsgehalt meiner Chefin, Grace, entspricht, wird ersichtlich, dass es sich hier um einen Batzen Geld handelt. Schließlich ist Grace definitiv unter den Besserverdienenden anzusiedeln und man stelle sich vor, der Zögling eines solchen würde in Deutschland mal eben für fünf- oder sechstausend Euro im Jahr studieren wollen. Ordentlich.
Mindestens genauso verblüffend für Immanuel war die Tatsache, dass im Primärsektor (für all diejenigen, die in Politik oder Sozialkunde nicht zugehört haben, hier handelt es sich um Landwirtschaft) lediglich ein Prozent des deutschen BSP erwirtschaftet wird. Für einen Tansanier ist das völlig unvorstellbar. Schließlich sind hier achtzig bis neunzig Prozent in diesem Sektor erwerbstätig. Und der Staat gibt alles, die Bauern auch in ihrem Beruf zu halten und erlässt eine Steuererleichterung nach den anderen. Gestern las ich in der Zeitung, welche Maschinen und Transportwege von Steuern befreit werden sollen. Klingt nach einer großen Sache, doch da es sich beim allergrößten Teil der Bauern lediglich um Subsistenzwirtschaft handelt, fragt man sich doch, ob wirklich viele Leute von diesen groß angekündigten Maßnahmen probieren. Würden sich deutsche Bauern freuen, wenn auf einmal auf jeden Spaten fünfzig Prozent Rabatt wären und alle Ochsenkarrentransporte steuerfrei wären?

So, ein Highlight dieses ereignisreichen Wochenendes war die Miss Vodacom Kilimanjaro" Wahl im La Liga. In einer ewig langen Prozedur wurde die Schönheitskönigin der Region gekrönt. Allerdings schaute ich da schon lange nicht mehr zu. Die Siegerehrung fand um halb drei in der Nacht statt. Da war ich schon im Bett. Lüge. Da war ich im Nebenraum tanzen. Eine Misswahl ist nichts Spannendes kann ich von diesem Abend nur berichten. Ich vermute auch, dass sich das überall ziemlich ähnelt. Die einzige spannende Abwechslung waren Live-Auftritte von tansanischen Musikstars. Besonders der Auftritt der "Wazee wa samaki na bata" (Alte Herren der Fische und Enten) mit ihrem Knallerlied "Pole Samaki" (Tut mir leid, Fisch), ließ mein Herz höher springen.
Und heute Abend kommt das Deutschlandspiel, Ich werde mich schminken, mein Trikot tragen und die Tansanier damit wohl zum Kopfschütteln bringen. Naja, was soll's. Schönen Tag noch!!

Mittwoch, 9. Juni 2010

Die Zeit zieht ins Land, ich ziehe ins Büro und Grace zieht ihre Kreise in Moshi. Wo? Das würde ich auch gerne wissen, doch Moshi Karanga, jener Stadtteil, der nach der Erdnuss benannt ist, wo unser Büro und mein Haus liegen, wird von ihr nur selten und stets zu unvorhersehbaren Zeitpunkten tangiert. Daran, dass wir uns, wenn wir uns denn sehen, prächtig verstehen und ich unglaublich dankbar bin, sie als Mentorin zu haben, ändert das nichts. Am Fortschritt unseres Projekts leider auch nicht. Der bleibt sehr gering.
Ausdrücke wie "DIA" (Das ist Afrika) oder "African Time" (für alles, was sich verspätet) habe ich nie benutzt. Sicherlich, es gibt riesige Unterschiede zwischen den Lebensweisen in Tansania und Deutschland, doch allein schon, wenn man die Größe und die kulturelle Vielfalt Afrikas betrachtet, sollte bewusst werden, dass sich auf diesem Kontinent nicht generalisieren lässt. Nichtsdestotrotz muss ich gestehen, dass ich von mir langsam den Eindruck gewinne, afrikanisiert geworden zu sein. Der Stillstand in der Arbeit stört mich nicht weiter, ich freue mich, im Büro Zeit für Unterhaltungen zu haben und verzücke die anwesenden Mitarbeiter mit Bach, Chopin und Beethoven. Mittags vertrete ich mir ein bisschen die Füße, setze mich zum Gemüsestand, lasse meinen Blick träumend durch die Gegend schweifen und genieße den Kiswahilismalltalk. Nach einer weiteren Büroschicht folgt neuerdings endlich wieder Sport. Im Moshi Technical College treffen sich jeden Nachmittag die älteren Jungs eines großen Straßenkinderheims, um auf einem der besten Plätze in der Umgebung zu spielen. Mann, die haben mich beim Aufwärmen vielleicht fertig gemacht. Ewig lang kein Sport, Husten, viele neue Kilos – danach war ich (Herr Grosch würde sagen: "Salopp gesagt:") im Sack. Am nächsten Tag bin ich gleich wieder hin und habe dann auch erstmal gespielt. Passable Leistung würde ich sagen, doch der Mittelstürmerposten ist nicht meine große Stärke. À propos Fußball: von WM-Vorfreude merke ich bislang relativ wenig. Da das tansanische Team bereits in der Qualifikation zur Qualifikation ausgeschieden ist, ist das auch nicht weiter verwunderlich. Meinerseits ist die Vorfreude jedoch riesig!! Letzte Woche kam das entsprechende Kicker Sonderheft an und ich bin jetzt bestens eingestimmt. Schade, dass es noch immer vier Tage sind ;)
Eine letzte Sache, möchte ich noch erzählen: bei einem meiner Mittagsspaziergänge bin ich letzte Woche zur Fabrik der "Kibo Match Group" gelaufen und habe dort einem Freund ein Buch zurückgegeben. Er zeigte mir daraufhin die gesamte Streichholzfabrik. Ausgestattet mit schwedischen und deutschen Maschinen aus den Siebzigern, war die Fabrik durchaus interessant. Am beeindruckendsten war aber ein einziger Satz, den mein Freund Michaeli, der technische Leiter der Fabrik, über das manuelle Verpacken der Streichhölzer fallen ließ. Es gibt in der Fabrik eine Maschine, die das erledigt, die aber bei weitem nicht die Kapazität für alle Streichhölzer besitzt. Also arbeiten gleichzeitig rund einhundert Frauen daran, die Streichhölzer zu verpacken. An den Kauf einer zweiten Maschine wird nicht gedacht, da man diese Chance der Arbeitsbeschaffung nicht verstreichen lassen will. Man sage das mal einem deutschen Unternehmensberater. Und solche Worte kommen vom technischen Leiter, der mit der Anschaffung einer weiteren Maschine hundert Lohnzahlungen monatlich einstellen könnte und gleichzeitig selbst mehr Arbeit, mehr Verantwortung und vermutlich mehr Geld bekommen würde. Das sozialistische Erbe scheint auch siebzehn Jahre (ich glaube, es sind siebzehn Jahre...) nach der Liberalisierung starken Einfluss auf die Wirtschaft zu haben. Und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich das in diesem Fall einfach nur beeindruckend finde!
Gruß und Kuss