Vor einer guten Stunde endete das Spiel Elfenbeinkueste gegen Portugal – torlos…Wie bei allen Begegnungen mit afrikanischer Beteiligung war das East Africa Pub wieder gestopft voll. Doch ich wusste ja Bescheid und war rechtzeitig vor Ort, um einen guten Platz vor dem Fernsehgeraet zu ergattern.
Leider war das Spiel relativ ereignisarm, sodass sich die Stimmung in Grenzen hielt. Einzige Ausnahme stellte die Einwechslung Didier Drogbas dar. Jedes Mal, wenn er im Bild auftauchte, auf der Auswechselbank, beim Einlaufen und natuerlich bei der Einwechslung, klatschten die Leute in die Haende und machten Laerm.
Wesentlich froehlicher waren die Zuschauer hingegen am Sonntag. Nein, nicht wegen Deutschland, sondern wegen des Sieges von Ghana. Endlich mal ein afrikanischer Sieg! Bis dato bekanntermassen ja auch der einzige…scheinbar waren die Leute danach muede oder einfach desinteressiert. Beim Deutschlandspiel war die Bar auf jeden Fall ziemlich leer. Mir kam das aber gerade recht, da ich somit viermal ausreichend Platz hatte, aufzuspringen und dabei meinen Stuhl zum Umfallen zu bringen. Gemeinsam mit Anni und zwei weiteren Deutschen feierte ich dieses Fussballfest! Meine Ankuendigung, nach jedem Tor eine Runde Konyagi zu schmeissen, zog ich mit der Zustimmung der anderen nach dem dritten Tor zurueck. Grade noch rechtzeitig vor dem finalen 4:0 Treffer Cacaus. Lustig war, dass in der Bar auch eine ganze Gruppe Australier ihr Team anfeuerte. Deren Leistung war verglichen mit dem Auftreten ihres Teams herausragend, doch wuerde ich mir selbst den Titel “Fan des Spiels” verleihen. Ich denke, das habe ich verdient ;)
Insgesamt geniesse ich die WM in vollen Zuegen und es steigen auch immer mehr Tansanier in den WM-Zirkus ein. Wollen wir mal hoffen, dass die afrikanischen Teams am zweiten Spieltag noch einen Tick erfolgreicher abschneiden und die Stimmung kocht. Es ist immer wieder faszinierend, welche Solidaritaet auf diesem Kontinent herrscht – zumindest in Fussballfragen. Ob der Spieler nun Eto’o, Drogba, Pienaar oder Gyan heist, alle werden sie geliebt und vergoettert. Selbst ein Henry hat aufgrund seiner Hautfarbe schon einen Fanbonus. In der naechsten Runde werde ich mich mal ueber die Beliebtheit Algeriens informieren, da Nordafrika fuer viele hier schon zu weit weg ist und man sich mit dessen Staaten und Buergern weniger solidarisch zeigt.
Die allgemeine Sympathie fuer Afrikaner beschraenkt sich aber tatsaechlich fast nur auf Persoenlichkeiten aus Sport, Musik und Film. Dass der Nigerianer ein Dieb, der Tansanier eine Schlafmuetze, der Suedafrikaner ja irgendwie schon gar nicht mehr ein echter Afrikaner, der Somali ein Terrorist und der Kenianer ein Verbrecher ist, das scheint Konsens zu sein. Und dass schliesslich alle Weissen im Geld schwimmen ist so selbstverstaendlich wie die Tatsache, dass der Afrikaner Obama sich letztens erstmals in seiner Amtszeit oeffentlich an seine wahre Heimat, Kenia, gewendet hat. Ueber Rassismus in Tansania koennte ich mich wochenlang auslassen. Doch stellt sich mir bei all den Streitfragen auch immer die Frage, ob es bei uns in Deutschland besser, bzw. warum es anders ist.
Ein paar Exempel: dass ich als Weisser immer angesprochen werde, kann durchaus als ein rassistischer Affront betrachtet werden. Schliesslich handelt es sich mitnichten immer nur um ein nettes Hallo, sondern haeufig werde ich gefragt, ob ich nicht ein Essen, ein Bier oder einen Softdrink springen lassen will oder nicht einfach mein Portemonnaie mit dem eines Tansaniers tauschen will. Immer wieder sind das auch Scherze, doch wenn ein Betrunkener mich morgens um elf anpoebelt, dass ich ihm doch sein Fruehstueck bezahlen soll, schuettele ich nur den Kopf und werde auch sauer. Doch machen wir uns mal nichts vor: Weisse, die durch Tansania spazieren, sind in den allermeisten Faellen wohlhabend. Zumindest fuer tansanische Verhaeltnisse. Da sind die zahllosen Freiwilligen hier in Moshi, die jades Wochenende feiern gehen und da sind Abenteurer und Fruehrentner, die sich fuer viel Geld am Kilimanjaro oder in der Serengeti vergnuegen. Die Annahme, dass die Weissen alle Geld haben, liegt fuer viele also auf der Hand. Dass es auch Massen gibt, die immer in Europa sind und dort teilweise sogar mit Armut kaemofen muessen, ist fuer viele hier einfach undenkbar.
Fuer mich ist aber folgendes viel wichtiger: zwar kommen mir auch einige Schnorrer vor die Augen, doch ueberwiegt die Zahl derer, die sich ueber den Weissen freut, nett ist und sich ueber meine Kiswahilibrocken riesig freut. Diese Direktheit und Offenheit, einfach das Gespraech zu suchen, mich auszufragen und sich an der Fremde zu erfreuen, finde ich grossartig, wenn auch immer noch ungewohnt. Als kleiner Test: welcher der Leser hat in Deutschland auf der Strasse schon einmal einen offensichtlich nicht deutschen ueber seine Herkunft ausgefragt und ihm am Ende gesagt: “Mann, herzlich willkommen in Deutschland!!” Natuerlich hat das auch seine Gruende. Allein schon, dass die meisten Weissen hier aus Urlaubsgruenden weilen, waehrend Deutschland ja eher das Praedikat “Einwanderungsland” verdient. Da moegen einige Politiker anderer Meinung sein, doch inzwischen ist das ja wohl ein Fakt…
Puu..einfach mal wieder ein paar Gedanken, die mich bewegen. Ich hoffe mal, nicht zu offensiv zu sein. Jetzt muss ich zurueck ins East Africa, einen guten Platz fuers Brasilienspiel ergattern. Internetcafezeit ist jetzt auch um.
Bis bald, auf dass Suedafrika morgen Abend gewinnt!
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Oye Hannes!
AntwortenLöschenWurde wohl nichts: Weder mit dem Überraschungssieg Nordkoreas noch mit meinem Tipp. Aber was soll's: Es stehen noch so viele Spiele aus – und damit so viele Chancen, im Tippspiel zu punkten und so viele Möglichkeiten für einen Patzer der Favoritenteams!
Dieses sich-verbunden-Fühlen mit den anderen Teams des Kontinents gibt es hier ja kaum: Je weniger die Holländer gewinnen, desto gut. Gleiches mit Frankreich, England, Italien... Wer weiß: Vielleicht hängt das ja damit zusammen, dass man gerne den Underdogs die Daumen drückt, die bestimmt nicht aus den genannten Ländern kommen?
Wenn du von deinem Stuhlumschmeißtorjubel schreibst, muss ich sofort an den Samstagnachmittag auf Zanzibar denken, an dem wir den BVB gegen Bremen haben spielen sehen: Wie du ausgeflippt bist beim ersten Tor, und wie sich die Nachbarin im Internetcafé erschrocken hat, als du die neben ihr liegenden Unterlagen auf den Boden geschmissen hast, im Affekt und grenzenlosen Torjubel sozusagen... Sehr gut!
Hm. Ich habe noch immer kein exaktes Datum für meine Ausreise. Voraussichtlich vertschüsse ich mich um den 12. August irgendwann. Kurz vor dem Start der nächsten Bundesligasaison also. (Und komme dementsprechend vor Saisonbeginn 2011 wieder zurück: Gut getimt!)
Wenn du magst, kannst du dir noch den WM-Song von verlen anschauen. Eher mittelprächtig. Aber aus Lokalpatriotismus kann das. http://www.youtube.com/watch?v=T7Grj7maG0U
Sei gegrüßt!
Simon