Mit der Taktzahl meiner Blogeinträge in der ersten WM-Woche habe ich die Latte wohl ein bisschen zu hoch gelegt. Ganz so oft kann ich nun auch nicht schreiben. Es ist nicht so, dass ich dazu keine Zeit hätte, doch ich genieße meine Freiheit lieber mit anderen Leuten, als mit dem Computer, sodass Blog und Mails und Internet überhaupt momentan recht kurz kommen. Man möge mir das nachsehen.
Ja, die Freizeit mit anderen Leuten verbringen. In der Regel heißt das entweder, am Gemüsestand chillen oder im East Africa Fußball schauen. Auf letzteres komme ich nun kurz zu sprechen, bevor ich mich dann meine Ladies vom Gemüsestand etwas ausführlicher widmen möchte.
Deutschland – Serbien war ein Graus! Nicht, dass es fußballerisch nicht anzusehen war, doch die schadenfrohen Tansanier gingen mir an diesem Nachmittag tierisch auf die Nerven! Aber dass die Fußballfankultur hier nicht meinem Ideal entspricht, hatte ich ja bereits erwähnt. Dass ein afrikanisches Team nach dem anderen die Koffer packt, schürt die Euphorie nicht unbedingt an. Und obwohl Ghana die nächste Runde erreichte, war beim Spiel Deutschland – Ghana nichts los. Nur eine Gruppe Deutscher und vereinzelt sitzende Tansanier verirrten sich ins East Africa. Deutschland scheint aber generell kein Publikumsmagnet zu sein. Da fehlen schließlich die großen internationalen Stars. Ist aber nicht schlimm, so bekomme ich wenigstens immer einen wunderbaren Sitzplatz und Deutschland gewinnt ja auch so
Wohl noch spannender als die WM ist der derzeit in Moshi stattfindende East Africa Cup. 1200 Schüler aus Uganda, Kenia, Tansania, Ruanda, Burundi und Sambia tragen hier die Fußballmeisterschaften Ostafrikas für Mädchen und Jungs aller Altersklassen aus. Ich habe einen Tag vorbeigeschaut und mich an den vielen unterschiedlichen Menschen und dem Fußball erfreut. Da ich momentan im Büro mit Computerarbeit ziemlich beschäftigt bin, kam ich leider nicht zu einem zweiten Besuch. Morgen sind allerdings die Finals und da werde ich keinesfalls fehlen. Berichte werden folgen.
Überhaupt finde ich das interessant und beschämend zugleich, dass hier, wo es eine handvoll Teerstraßen und noch weniger gescheite Fußballplätze gibt, eine solch riesige Meisterschaft gibt, während in Deutschland solche Wettbewerbe immer von den gleichen zwei, drei Schulen aus dem Kreis wahrgenommen werden und die Resonanz meist ziemlich erbärmlich ist. Ist ja nicht so, als hätten wir infrastrukturelle Probleme, geschweige denn mangelndes Interesse an Sport. Schulsport ist halt leider nicht groß in Deutschland...
Nun zurück zum Gemüsestand. Dort hänge ich eigentlich fast jeden Tag ab. Eine Mittagspause und dann vor allem nach der Arbeit oder nachdem ich in der Stadt war. Täglich bis abends um acht liegen Obst und Gemüse auf den Holzplanken unter dem Wellblechdach. Gekauft habe ich dort aber schon ewig nichts mehr. Ich sitze immer auf der Bank neben dem Holzstand und unterhalte mich mit Vero, Mama Lea, Salome, Anna oder einem ihrer Gäste. Mama Lea führt den Laden mit eiserner Hand und ist eine herzensgute Frau. Ihre älteste Tochter, die dreizehnjährige (wer hätte gedacht, dass sie so heißt) Lea hilft zur Zeit auch kräftig mit. Anna ist im Urlaub, Schule ist in der vergangenen Woche nicht gewesen, da müssen die Jüngeren auch ran.
Anna ist immer ziemlich lustig und lässt recht wenig Ernstes von sich. Genauso alt wie ich, jedoch allein erziehende Mutter eines zweijährigen Jungens, führt sie doch ein recht hartes Leben. Dass sie trotzdem so viel rumblödelt macht sie umso sympathischer.
Salome ist genauso alt und hat auf jeden Fall die schwärzeste Haut von allen. Sie albert auch recht viel rum und wirkt offen gestanden auch nicht immer neunzehn Jahre alt. Vor allem, wenn man sie mit der guten Vero vergleicht. Die ist zwanzig und Schwester von Anna und Mama Lea. Sie ist wohl eine der ganz wenigen Tansanier, wo ich sagen würde, einen echten Freund (ich meine Freundin) gefunden zu haben. Ein unglaublich vernünftiges, bescheidenes und nettes Mädchen. Sie ist auch die, die immer sagt, dass sie nur für Besuche nach Europa wollen würde und die zwar Interesse an meiner Lebensart zeigt, vieles aber komisch oder abstoßend findet. Besonders die Verschlossenheit der Weißen schreckt sie ab. Dass sie aber trotzdem Interesse an Deutschland ("Wofür stehen denn eigentlich die Farben eurer Nationalflagge?!? Das Schwarz der tansanischen Flagge steht für unsere Hautfarbe, aber ihr seid doch weiß!") und der ganzen nördlichen Hemisphäre zeigt, erfreut mich immer wieder.
Dass sind jetzt einige Damen. Dass an einem kleinen Gemüsestand nicht genug Arbeit für alle ist, kann man sich denken. Aber der Stand ist auch nur eine Nebeneinnahme, glaube ich. Primär verdienen sie sich ihr Geld durch ihre Kochkünste. Im benachbarten Gefängnis sitzen nämlich vier kenianische Bankräuber, die noch einige Reserven ihrer Beute besitzen und keinen Appetit auf das Gefängnisessen haben und Mama Lea und ihr Team täglich zweimal mit Essen einlaufen lassen. Morgens gibt es Frühstück und mittags kommt eine große Ladung für den Rest des Tages. Die Unmengen Essen, die die vier verspeisen, machen mich echt immer wieder neugierig, wie dick sie wohl sind. Neben Essen werden auch Zeitungen reingebracht. Erzählungen zufolge leben die Herren ein sehr entspanntes Leben.
Ja, ich bin echt froh, diese Mädels getroffen zu haben. Keine spricht auch nur mehr als zwei zusammenhängende Worte Englisch, was ein wunderbares Kiswahilitraining für mich ist und wir verstehen uns einfach gut. Ich denke auch, dass die Freude durchaus nicht nur von meiner Seite aus kommt, denn wenn der blonde Weiße den Weg vom Daladala bis zum Gemüsestand, zur Musik der Bar singend, angetanzt kommt, ist das für alle Zuschauer wunderbare Unterhaltung. Und all die Geschichten, die ich von daheim mitbringe oder hier in Tansania erlebe, erfreuen die Mädels immer sehr.
So, Freunde der Nacht, bevor das Spiel Brasilien – Portugal beginnt, möchte ich grade noch einmal am Gemüsestand grüßen. Es eilt!
Liebe Grüße nach Deutschland
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Hi Hannes, hast Du eigentlich mitgekriegt, dass Aidan nun bei uns war?
AntwortenLöschenIch habe grad mal Deine Blog-Liste durchgeklickt. Sag mal, die alten Pfeifen haben alle seit Monaten nichts mehr geschrieben. Ist es überall so langweilig? Oder ist - im Gegenteil - soviel los, dass keiner mehr zum Schreiben kommt?
Gruß in die Ferne!
Mama